Kinder in der Pandemie

Was hat die Corona-Pandemie mit den Kindern gemacht, was bedeutete der Wegfall der Schule als stabilisierende und strukturierende Institution, was unternehmen Stiftungen, um diesen jungen Menschen zur Seite zu stehen, und welche Rolle konnte das Mentoring-Programm WEICHENSTELLUNG in dieser Zeit spielen? Dieser und weiteren Fragen gehen Jörg Birkelbach von Stifter TV und Dr. Tatiana Matthiesen, Bereichsleiterin Bildung und Erziehung der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und Gesamtkoordinatorin von WEICHENSTELLUNG, im gemeinsamen Gespräch nach.


Zum Videointerview


Stifter TV:
Was hat Corona mit unseren Kindern und Jugendlichen im Programm WEICHENSTELLUNG gemacht?

Dr. Tatiana Matthiesen: Das ist und war ein ganz besonderes Thema. Mit unserem Mentoring-Programm WEICHENSTELLUNG haben wir natürlich versucht, auch in diesen letzten Monaten weiterhin Weichen zu stellen. Das Programm funktioniert an den sensiblen Gelenkstellen in der schulischen Laufbahn, an den Übergängen. Im Projekt sind unterschiedliche Altersgruppen und wir haben bisher über 2.900 Kinder und Jugendliche gefördert.

Das letzte Jahr war ganz besonders herausfordernd und die Kinder und Jugendlichen haben besonders gelitten unter der Pandemie. Sie haben von heute auf morgen die Schule als zentrale Ort der Begegnungen, des sozialen Miteinanders verloren. Dabei hat Schule eine sehr stabilisierende und strukturierende Funktion – die ist weggefallen und die Familien musste das nebenbei zusätzlich übernehmen. Dort wo die Voraussetzungen günstig waren, ist dies oftmals gut gelungen. Doch bei unseren Mentees ist dies häufig nicht der Fall. Die Familien, die Eltern sind da und geben oftmals alles, können das aber aus unterschiedlichsten Gründen oft nicht leisten.

Ein zentrales Problem war der Motivationsmangel. Der stieg mit der Dauer der Pandemie immer weiter an. Auch der Stress – durch Homeschooling, Isolation oder auch die familiäre Situation – hat die Mentees häufig sehr belastet. Damit umzugehen war eine große Herausforderung für alle Beteiligten.

Ein Blick hinter die Kulissen gewähren die Zitate, die eine unserer Mentorinnen im Rahmen ihrer Hausarbeit gesammelt hat - dies zeigt sehr eindrücklick, welchen Wert und welche Bedeutung WEICHENSTELLUNG in der Corona-Pandemie für die Kinder und Jugendlichen hat. (Zum Beitrag)

Stifter TV: Das Mentoring-Programm war eine große Chance für die Kinder und Jugendlichen – wie sind die Erfahrungen bei WEICHENSTELLUNG, konnten die Mentor:innen einen Teil der pandemiebedingten Schwierigkeiten abfangen?

Dr. Tatiana Matthiesen: Unsere Mentor:innen haben ein unglaubliches Engagement an den Tag gelegt. Die Ideen und kreativen Lösungen, die sie entwickelt haben, und die Offenheit gegenüber den digitalen Tools und diese auszuprobieren – das war sehr beeindruckend. Dabei haben wir sie mit Schulungen und viele Tipps bestmöglich unterstützt. Die Studierenden mussten sehr flexibel sein.

Und sie haben eines gemacht: Sie haben die Hand gehalten, um bildlich zu sprechen. Sie standen im Dauerkontakt mit ihren Mentees, waren jederzeit ansprechbar, hatten eine große stützende Funktion. Wie wichtig das war, zeigen auch die Aussagen aller Projektbeteiligten, die wir anlässlich des Aktionstags des Bundesprogramms „Menschen stärken Menschen“ zusammengestellt haben (zum Video). Die Pandemie hat noch einmal gezeigt, was Mentoring leisten kann. Es geht um eine feste und kontinuierliche Bindung und eine Unterstützung, die über das Fachliche hinaus geht.

Stifter TV: Die Eltern der Kinder im WEICHENSTELLUNG-Programm sind zum Teil auch auf Unterstützung von euch angewiesen. Wie habt ihr das in dieser Zeit erlebt?

Dr. Tatiana Matthiesen: Ich glaube, wenn es WEICHENSTELLUNG nicht vorher schon gegeben hätte, wäre es jetzt entwickelt worden, weil es so eine wichtige Stützfunktion hat – natürlich auch für die Eltern. Sie wussten immer, dass sie mit uns einen verlässlichen Partner haben. Sie mussten sich weniger Sorgen machen, dass ihre Kinder schulisch abgehängt werden und waren dafür sehr dankbar. Vom Mentoring profitieren am Ende alle.

Momentan mache ich mir auch Gedanken, wie sich WEICHENSTELLUNG noch weiterentwickeln und weiter öffnen lässt, gerade in der überfachlichen Förderung und Unterstützung. Es steckt noch viel Potenzial in diesem Projekt.

Stifter TV: Das Programm wird auch jetzt eine besondere Rolle spielen, wo aufgeholt werden muss. Wird Mentoring zukünftig immer wichtiger und mehr beachtet als früher?

Dr. Tatiana Matthiesen: Das hoffe ich sehr. Als wir das Zuwandererprojekt 2016 mit der Unterstützung des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend initiierten, hatten wir bereits das Ziel, WEICHENSTELLUNG als Referenzprojekt aufzubauen. Inzwischen ist es zu einem großen Projekt mit mehreren Bausteinen und Standorten geworden. Unser Vorstandsvorsitzender Herr Göring hat im Januar in einem Beitrag im Hamburger Abendblatt gesagt, dass Mentoring-Programme eine ganz besondere Rolle in diesen Zeiten spielen können. Das hat für große positive Resonanz gesorgt und dazu geführt, dass die Hamburger Schulbehörde ein städtisches Lernförderprogramm mit Namen „Anschluss“ auf den Weg gebracht hat. Wir freuen uns, dass WEICHENSTELLUNG dafür Modell gestanden hat.

Mehr Einblicke in WEICHENSTELLUNG während der Corona Pandemie bieten die Hausarbeit einer unserer Mentorinnen und unsere News & Stories.


Weitere News & Stories