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Selbstvertrauen und Auftreten - fit für das Bewerbungsgespräch

Es war 9:30 Uhr im Seminarraum des Bucerius-Kunst-Forums. Alle Tische waren gewischt, die Post-its, Stifte und Blankopapiere am Eingangstisch bereitgelegt und ich wartete auf meine jugendlichen Seminarteilnehmenden. Was würden sie heute lernen? Nun, an diesem Tag würden wir drei Stunden daran arbeiten, wie sie ein Bewerbungsgespräch für eine Lehrstelle erfolgreich führen.

Um 9:45 trudelten die ersten Teilnehmenden in den Raum, schüchtern (wahrscheinlich auch beeindruckt von den hohen, weißen Wänden, dem feinen Empfangstresen mit Rezeptionist und der mächtigen Treppe ins Untergeschoss), leise redend oder ganz stumm trugen sie sich in die Liste ein und suchten sich einen Platz an einem der Tische.

Bei Bewerbungen, wie bei den meisten Momenten des gegenseitigen Kennenlernens, sind die ersten Sekunden wegweisend. Ein schlechter Anfang verhindert zwar eine erfolgreiche Bewerbung nicht zu 100 %, aber sie macht den Prozess erheblich schwieriger, das hatte ich als Recruiter für einen japanischen Elektronik-Konzern gelernt. Wie gehe ich, wie stehe ich, wie gebe ich die Hand? Schaue ich dem / der Gegenüber in die Augen, rede ich mit fester Stimme, was sage ich, mache ich mich klein oder zeige ich, was ich kann?

Dann begann das Seminar. Als erstes habe ich mit den Jugendlichen am Selbstvertrauen gearbeitet, denn nur durch ein starkes inneres Mindset wirke ich auch nach außen kompetent und erfolgreich. Dazu haben wir mal alle Stärken aufgeschrieben. Was kann ich gut? Worauf bin ich stolz? Wofür respektieren mich meine Freunde? Danach haben wir die vermeintlichen Schwächen notiert. Erstaunlich, wie lange die Jugendlichen überlegen mussten, was sie GUT können und im Gegensatz dazu, wie schnell sich das Blatt mit den - vermeintlichen - Schwächen füllte. Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und dem Mindset der Jugendlichen. Die meist erwähnte Schwäche der Teilnehmenden, die fast alle einen Migrationshintergrund hatten, war: Ich kann nicht gut Deutsch sprechen, das sagten sie mit gesenktem Blick und leiser Stimme. Ein Gefühl der Scham.

Dann fragte ich: Wie lange bist du hier? Antwort: 1 Jahr. Ich sagte: Für ein 1 Jahr sprichst du super Deutsch. Weißt du wie ich Arabisch spreche? Gar nicht. Du kannst etwas, was ich nicht kann.

Das Schönste in dem Seminar ist es zu sehen, wie die Jugendlichen von Minute zu Minute innerlich wachsen, indem man ihnen Gründe für Stolz und Selbstvertrauen gibt. Da sieht man, was sie wohl den ganzen Tag an negativen Bemerkungen zu hören bekommen. Ganz extrem bei den Mädchen. Da waren 15-jährige Mädchen, die für ihre drei kleinen Geschwister verantwortlich waren, und sie dachten, sie könnten nichts. Wie ihre Augen aufgingen, wenn ich ihnen erklärte, dass sie im Grunde private Führungskräfte sind, dass sie ein Familien-Team leiten. Toll!

Nachdem wir das Selbstvertrauen etwas aufgebaut hatten, gingen wir in die praktischen Übungen. Einen Raum erhobenen Hauptes betreten, zielstrebig zum/r Interviewer:in gehen, klaren Händedruck geben, präsent sitzen, proaktiv handeln, Augenkontakt halten, seine Stärken benennen und auch offen zu seinen Schwächen stehen. Das haben wir im Rollenspiel gemacht und wie die Jugendliche es immer wieder selbst erkannten, wenn jemand unsicher in den Raum kam, wenn der Blick zu Boden ging, das war allein Gold wert für sie. Schließlich war die Zeit dann auch irgendwann um und das Seminar vorbei.

Natürlich kann man einen Menschen in drei Stunden nicht komplett stärken und ändern. Aber zu sehen, wie diese Jugendlichen am Morgen mit gesenktem Blick und schüchtern in den Raum gekommen waren und jetzt nach dem Training aufrecht, laut redend und positiv gestimmt das Seminar verließen, zeigt doch: Die ersten Schritte in die richtige Richtung sind getan - und das erfüllt mich immer wieder mit Freude und Hoffnung.

Heino Trusheim, Stand-up-Comedian und Redecoach
https://www.redechamp.de/


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