Mentoring während Corona – wie soll das denn gehen?
Das letzte halbe Jahr war für uns alle turbulent und reich an neuen, vor allem digitalen Erfahrungen. Als Mentorin im Projekt WEICHENSTELLUNG für Viertklässler in Köln bin ich sehr froh, dass ich meine Mentees in der Schule im ersten Halbjahr der 4. Klasse kennenlernen konnte. Das war für die drei Jungen und mich ein gutes Timing und ein Glück, die erste Zeit erstmal analog in gemeinsamen Räumen zu sein. So konnte ich jeweils ihre Klassen und Lehrer:innen kennenlernen, war im Unterricht mit dabei.
Nachmittags konnten wir für die Lernförderung in der Gruppe den Lieblingsraum der Kinder in der Schule nutzen: Den Leseraum unterm Dach, direkt neben der hellen und geräumigen Aula. Hier haben wir wöchentlich gemeinsam geschrieben, gelesen, erzählt, geknobelt, gelacht und experimentiert. Besonders in Erinnerung geblieben ist die Experimentierstunde „Neon – Leuchten“, in der wir anstatt eines Ausfluges im Kölner Stadtraum den vom Zentrum für LehrerInnenbildung (ZfL) der Universität zu Köln zur Verfügung gestellten Experimentierkasten ausprobiert haben. „Mit Abstand die beste Stunde von WEICHENSTELLUNG bis jetzt!“ – da waren sich die Jungen einig.
Es war schon zu dem Zeitpunkt sehr schön zu erleben, dass sie zu einer kleinen Gruppe zusammengewachsen sind, alle drei. Mitte Dezember habe ich ein erstes Online-Treffen mit den Jungen organisiert. Das war erstmal aufregend für alle und wertvoll, da sie sich auf diese Weise auch wieder untereinander austauschen konnten. Sich im Video zu sehen, ist dann doch nochmal etwas ganz anderes, als zu telefonieren, haben wir festgestellt. Sämtliche digitalen Funktionen wollten erst einmal ausprobiert werden: „Ich kann euch Fotos am Tablet zeigen!“ oder „Hier können wir auch malen!“.
Anfang Januar, zurück aus den Ferien, konnten wir gut daran anknüpfen. „Auf welche Schule, welches Gymnasium wollen wir gehen?“ – auch zu dieser Frage haben sich die Kinder mit mir und untereinander ausgetauscht, Meinungen anderer erfragt, die bereits auf einer der jeweiligen Schule in Köln Mülheim sind oder jemanden kennen, ob in der Notbetreuung der Schule oder bei Bekannten. Jetzt sind sie alle drei an derselben Schule angemeldet und einer der Jungen erzählte letzte Woche, er habe die beiden anderen der Gruppe bei der Schulanmeldung angegeben. Dadurch steigen die Chancen, dass sie vielleicht sogar gemeinsam in eine Klasse kommen.
Die Regelmäßigkeit der wöchentlichen Lernförderung empfand ich gerade während des Homeschoolings als besonders sinnvoll für die Kinder. Auch hin und wieder mit ihnen einzeln zu telefonieren war und ist hilfreich, um gut in Kontakt zu bleiben. Auf diese Weise – da wir in den Wochen des Homeschoolings überwiegend zuhause waren – habe ich als Mentorin die Mentees näher kennenlernen können, ihre Eltern, Brüder, eine Schwester, Meerschweinchen und den zitronengelben Kanarienvogel Güneş, der kleinen Sonne türkischen Namens.
Spannend war für mich das Hospitieren bei den Videokonferenzen der Lehrer:innen beider Klassen, in denen die Mentees sind. Zu Karneval haben wir uns für die Videokonferenz verkleidet. Ich wurde sogar als Frida Kahlo erkannt. Zu unseren Online-Treffen am Nachmittag sagte einer der Jungen: „Das ist ein bisschen wie Schule, nur mit noch mehr Spaß!“ Den hatte die Gruppe dann besonders beim gemeinsamen Lösen der Rätsel im Online-Escape-Spiel zu Leonardo da Vinci. Im Chat kommentierten die Kinder zum Schluss: „Wir haben gewonnen!“ – „Das haben wir wirklich.“
Vor mittlerweile drei Wochen haben sich die Kinder gefreut, wieder zur Schule gehen zu können. Auch wenn dies bedeutet, dass sie im Wechselmodell jeweils nur die halbe Klasse sehen können. Für die Kinder ist es umso schöner, wieder in einem Raum und auf dem Pausenhof zusammen zu sein, den gemeinsamen Unterricht mit anderen Kindern in nächster Nähe – am nächsten Tisch – zu erleben. Außerdem gibt der Wechselunterricht ihnen eine andere Struktur für die Woche vor, durch die sie regelmäßig Zeit vor Ort verbringen und die dadurch hilfreich ist für die Selbstorganisation beim Lernen.
Dennoch waren ihnen die Videokonferenzen im Klassenrat und in Gruppen sehr wichtig in den Wochen, in denen sie nur einmal pro Woche kurz zur Schule gehen konnten, um ihre Aufgaben abzuholen oder vorbeizubringen. Meine drei Mentees freuen sich schon darauf, wenn wir uns für die Förderstunden wieder zu viert im Leseraum neben der Aula treffen können. Vor allem freuen sie sich auf Ausflüge. Am liebsten in den Trampolinpark, ins Schokoladenmuseum und in den Kölner Zoo: Vielleicht gewinnt einer von ihnen drei Freikarten, wenn er beim Malwettbewerb des Kölner Zoos „Was machen wohl die Tiere, jetzt, da die Besucher fehlen?“ gewinnt.
Lioba Hürter, Mentorin bei WEICHENSTELLUNG für Viertklässler in Köln
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